Kürzlich wurde im historischen Rathaus Retz der erste Slow Wine Guide im Weinviertel und ganz Österreich vorgestellt! Michael Vesely, Initiator und Gründungsmitglied bei Slow Food Village Retz, führte durch den Abend und rührte die Werbetrommel für den neuen Guide in Faltkartenformat.
Wer? das Team um Michael Vesely
Was? Präsentation des Slow Wine Guide Retz und Umgebung
Wo? Historisches Rathaus, Retz
Gut, sauber, fair: So sollen die Slow Weine aus Retz und Umgebung sein! Und schmecken sollen sie natürlich auch! Der Natur seinen freien Lauf lassen, auf gesunde Böden achten und Verzicht beim Einsatz von Chemie üben sind weitere Prämissen.
Slow Wine kann Bio, biodynamisch oder Demeter sein, aber auch Naturwein oder sauber gemachter konventionell erzeugter Wein sein.
Der neue Slow Wine Guide hat eine Auflage von 2.500 Stück, eignet sich perfekt für die Überlegungen zum nächsten Weinkauf und besitzt ein interaktives Herzstück auf slowwineretz.at.
Auf der Suche nach Slow Wine Erzeuger:innen
Die Erwartungshaltung bei Slow Wine Guide Initiator Michael Vesely und seinem Team war nicht gerade hoch, ausreichend Slow Wine Produzent:innen in der Weinstadt Retz und der Umgebung zu finden. Man hat höchstens mit einer Handvoll Weinbaubetriebe gerechnet, doch es fanden sich unglaubliche 28 Winzerinnen und Winzer!
Michael Vesely findet es gut, dass besonders kleinstrukturierte Familienbetriebe in der Retzer Region stark vertreten sind.
Die Zielgruppe des Slow Wine Guides
Nicht die Retzer Bewohner:innen sind die Zielgruppe! Diese kennen die Schätze der Region sehr gut und haben Zugang zu diesen Weinen, sondern der Rest der Welt.
Mit dem neuen Slow Wine Guide möchte man laut Michael Vesely keinen Staubfänger produzieren, sondern wertvolle Betriebe vor den Vorhang holen. Deshalb auch die praktische Faltkarte mit QR-Qode, Links und einer visuellen Übersicht!
Sind wir auf dem richtigen Weg? Die anschließende Podiumsdiskussion beginnt mit dem großen Ganzen!
Veränderte Konsumgewohnheiten und der viel strapazierte Klimawandel machen es den Winzer:innen nicht leicht. Über den richtigen oder falschen Weg diskutierten die Trendforscherin Hanni Rützler, der Top-Sommelier Adolf „Adi“ Schmid mit 41 Jahren Erfahrung im Steirereck, die junge Zellerndorfer Winzerin Katharina Gessl und Klaus Gössl, der Geschäftsführer der Weinstraße Weinviertel West.
Top-Sommelier Adi Schmidt stellte klar fest, dass weniger Wein getrunken wird. Wurde früher zum Mittagstisch ein Aperitif, zwei Gläser Wein und ein Digestif genommen, finden die Leute heute keine Zeit mehr für ein ausgiebiges Mittagessen im Lokal und wenden sich oft dem Fast Food zu. Das Mittagsgeschäft ist generell am Einbrechen. Auch die höheren Weinpreise und der Trend zu alkoholfreien Getränken tragen dazu bei, dass weniger Wein getrunken wird.
Gegen den Mythos, dass Wein ungesund ist, heißt es vehement dagegen zu arbeiten! Mit ehrlichen und naturnahen Weinen stehen die Chancen gut!
Warum wird aktuell weniger Wein getrunken? Die Food-Trend-Forscherin Hanni Rützler geht der Sache auf den Grund: Unsere Esskultur ist einem Strukturwandel unterlegen, auch die Mahlzeiten. Der früher gewohnte Mittagstisch ist, vor allem im urbanen Bereich, nicht mehr Gesetz der Stunde. Der Essensschwerpunkt in den Haushalten hat sich auf den Abend verlegt.
Auch der Wandel am Teller ist mit ein Grund: Fleisch verliert seine Poleposition – die Beilage rückt immer mehr ins Zentrum. Das alles spielt mit, wenn es ums Wein trinken geht. Die Trinkkultur in Österreich und weltweit verändert und individualisiert sich! Leichte Weine boomen! Jüngere Menschen trinken anders – Slow Wine könnte ein Trend werden!
Jungwinzerin Katharina Gessl aus Zellerndorf geht noch einen Schritt weiter! Ihr Anspruch sind Weine für internationale Kunden. 2022 hat sie im elterlichen Betrieb begonnen, ihre Philosophie umzusetzen und verschiedene Märkte wie Canada oder die USA zu erobern.
Davor ist sie bei ihren Auslandsaufenthalten draufgekommen, dass sie doch selbst Wein erzeugen und vermarkten möchte. Bereits ihre Eltern sind Bio-Winzer und weiterhin im Betrieb aktiv. Katharina ist die Marketingspezialistin in der Familie, was sich in der zeitgemäßen Verpackung dem coolen Auftritt nach außen niederschlägt. Herausfordernd ist der Winzerberuf allemal, denn Katharina ist gleichzeitig Betriebsführerin, Marketingexpertin, muss sich um die Finanzen kümmern und auch bei der Arbeit im Weingarten Know-how mitbringen.
Wichtig ist es, ehrlich und nachhaltig zu arbeiten. Die neue Leichtigkeit der Weine entsteht durch die frühe Ernte – oft schon Ende August, wenn heutzutage die physiologische Reife der Trauben schon gegeben ist und er Geschmack passt.
Klaus Gössl, der Geschäftsführer der Weinstraße Weinviertel, sieht den Grünen Veltliner noch als klassischen Verkaufsschlager. Der leichte Blaue Portugieser aus dem Pulkautal ist aktuell sehr beliebt, jedoch seiner Meinung nach kein Hype, sondern ein regionales Produkt.
Der Trend zu leichten Weinen lässt sich nicht mehr wegdenken, schwere französische Rotweine brechen total ein.
In der Top-Gastronomie ist Wein aus dem Weinviertel nur wenig vertreten und kaum auf der Weinkarte zu finden, was sehr schade ist.
Im Ausland steht Wein aus Österreich zwar für Qualität, aber Wein aus dem Weinviertel gehört (noch) nicht zur Top-Riege!
Grünen Veltliner wird es laut Gössl auch in Zukunft geben. Man könnte sich jedoch etwas von Wieninger & Co abschauen, die den Wiener Gemischte Satz in kurzer Zeit groß gemacht haben.
Die jungen Winzerinnen und Winzer müssen Druck machen! Man sollte sich fragen: Für wen produziere ich? Mut zu Nischen und Ecken ist gefragt!
Noch ein wichtiges Thema ist das Gastrosterben: Übrig bleibt die Top-Gastronomie und die Billigschiene. Die Mitte bricht weg – das ist beim Wein ähnlich.
Laut Top-Sommelier Adi Schmidt, der langjährige Erfahrung im Steiereck gesammelt hat, sollte das Weinviertel kleinteilig strukturiert, die Sortenvielfalt diskutiert und die guten Lagen herausgearbeitet werden.
Slow Wine Verkostung
Nach der angeregten Podiumsdiskussion, von der man sich einiges mitnehmen konnte, ging es zum gemütlichen Teil, der Verkostung von Slow Wine im historischen Rathaus von Retz.
Dabei konnte man Frauenpower von den diversen Slow Wine Betrieben und jede Menge tolle Winzer, oft in der Kombination Vater & Sohn, antreffen! Jedenfalls wurde guter, sauberer und fairer Slow Wine in die Gläser der Gäste gefüllt. Auch wir haben uns reinen Wein einschenken lassen und dazu Nussbrot von Gutes aus Obritz genossen.
Wer Was Wo Weinviertel Tipp
Die nächste Ausgabe des Slow Wine Guides kommt bestimmt! Interessentinnen und Interessenten können sich schon vorab bei slowwineretz.at anmelden.
Fotos: Brittas Schreiberei